Ärzte versus SVA: Der Kampf gegen den Paradigmenwechsel

Am 27. Mai 2010: Sowohl der Generaldirektor der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft (SVA) als auch der Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer glauben im Streit um einen neuen Gesamtvertrag derzeit an keine Einigung. Denn es geht um mehr als um die Erhöhung der Honorare.

Ärztekammer-Vizepräsident Günther Wawrowsky: "Es geht nicht nur um Prozente, sondern um ein völlig neues System des Gesundheitsmanagements".

Heute lässt man noch via Medien die Muskeln spielen, bereits am Samstag könnte alles anders sein. Im Streit um einen neuen Vertrag zwischen der Ärztekammer und der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft herrscht, wie bereits in den letzten 50 Jahren mehrfach erprobt, ein Kleinkrieg der Worte. Beide Partner bezeichnen die Vorschläge des jeweiligen Gegenübers als inakzeptabel, beide Verhandlungspartner versichern, stets nur im Interesse der Patienten zu handeln und nur moderate Forderungen zu haben.

Die Folge: Die Verschlagzeilung der Medienkultur, der Zeitdruck der Journalisten, denen die Zeit – und manchmal auch die Fähigkeit – für Recherchen fehlen, berichten aufgeregt-unaufgeregt wie über ein Fußballspiel, darauf wartend, wer den ersten Schritt für den Ausgleich wagt. Der Herr Bundesminister „bringt sich in die Diskussion ein“, der Herr  Obmann, der auch als Präsident der Wirtschaftskammer fungiert, versucht zu vermitteln und die Vertreter der Ärztekammer üben sich in bewährter Weise in hinhaltendem Widerstand.

Verunsichert sind, auch das ist seit Jahrzehnten Teil des erprobten Spiels, die niedergelassenen Ärzte und die Patienten. Neu ist allerdings, dass es in dieser aktuellen Auseinandersetzung nicht mehr nur um die Höhe von Honoraren geht, um zähe Verhandlungen, wie viele Zehntelprozentpunkte eingespart oder herausgeholt werden können, sondern um einen Paradigmenwechsel im Gesamtkonzept der Versorgung.

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Die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft will ein grundlegend neues Behandlungs- und Vergütungsschema einführen, das die Ärztekammer vehement ablehnt. Dieses Konzept, das in der Fachwelt als „Health Care Management“ bezeichnet wird, orientiert sich an – vorwiegend in England und den USA entwickelten – Modellen, die straffe Behandlungsschemata und Kostenkontrolle vorsehen.

Sehr vereinfacht heißt dies: Der „Health-Care-Manager“, das könnte zum Beispiel der Hausarzt sein, bestimmt, welche Fachärzte nötig sind, welche diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sinnvoll sind und übernimmt auch die Verantwortung für die Gesamtkosten, die ein Patient verursachen darf. Als Orientierungshilfen sollen dem „Health-Care-Manager“, so der Wunsch, die von Experten erstellten Leitlinien für die Diagnosen und Therapien dienen. Das kann heißen: Der Hausarzt kontrolliert fachlich und finanziell die Arbeit der Fachärzte.

Gegen diese neue Form von Vertrag wehren sich die niedergelassenen Ärzte vehement. Denn einerseits sehen sie sich in der Freiheit der therapeutischen Wahl massiv eingeschränkt, andererseits fehlen genügend ausgebildete und erfahrene Ärzte, die seriös die koordinierende Funktion eines „patientenzentrierten Gesundheitsmanagers“ übernehmen könnten, so die  Meinung, die hinter vorgehaltener Hand derzeit kolportiert wird. Seit Jahren befürchten Mediziner diese Entwicklung, die Erkenntnisse der Evidenz basierten Medizin, also der wissenschaftlich beweisbaren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, für ökonomische Zwecke anzuwenden.

Erwartungsgemäß sieht man dies bei der Sozialversicherung anders. Man gibt zu, sparen zu wollen, aber „sicher nicht auf Kosten der Patienten“.

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Schlagworte: Angst, Arzt, Ärztekammer, Gesetz, Gesundheit, Medien, Medizin, Politik, Sicherheit, Soziales, Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft, SVA,

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