„Amici delle SVA“ nennt sich eine Facebook-Gruppe von Versicherten der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, die ihre Unzufriedenheit artikulieren. Zwar mit viel Engagement, aber – zumindest derzeit – wenig Potential für politischen Druck. Der Grund: Mangelnde Informationen über Sozialversicherungsgesetze, unterschiedliche Interessen und eine Vielzahl unterschiedlicher Ausgangspositionen der Gruppenmitglieder.
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Viele "Gründer" sind nicht freiwillig selbstständig, sondern werden von den Umständen dazu gezwungen. © Christian M. Kreuziger
Ein Bericht im Qualitätsmagazin „Datum“ war einer der vielen Auslöser für eine Gruppe von SVA-Versicherten, um ihren Unmut mit ihrer derzeitigen Situation weiterhin in einer Facebook-Gruppe zu artikulieren. Was den Zwangsbeglückten der SVA besonders sauer aufstößt ist die Höhe der Beiträge und das knallharte Eintreiben, das vor allem die wenig verdienenden in schwere Nöte und in vielen Fällen weit unter das theoretisch verankerte Existenzminimum bringt.
Eine ebenso häufig geäußerte Forderung ist der Ruf nach Versicherungspflicht statt der in Österreich geltenden Pflichtversicherung. Das ist wahrscheinlich Wasser auf die Mühlen jener Politikschaffenden, die „mehr privat und weniger Staat“ vertreten, wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat, allerdings mit mäßigem Erfolg und hohen Erträgen für jene, die sich an den Okkassionsangeboten der Republik selbst in jenen Fällen eine goldene Nase verdient haben, bei denen – noch – die Unschuldsvermutung gilt.
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So wenig homogen die Gruppe der „Amici della SVA“ ist, so verschieden sind auch die Wünsche und Betrachtungsweisen. Es scheint wenig zielführend, in dieser Facebook-Gruppe eine Diskussion über die Zwangsmitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer zu führen. Denn ein nicht unbeträchtlicher Teil der SVA-Versicherten hat mit der Wirtschaftskammer nichts zu tun. Dazu gehören Medienmitarbeiter, Freiberufler oder Scheinselbstständige.
Wer den Arbeitsmarkt kennt, muss zähneknirschend zur Kenntnis nehmen, dass ein großer Teil der „Gründer“ oder „Ein-Personen-Unternehmer“ weit davon entfernt sind, als Gründer oder Unternehmer den Unterhalt verdienen zu wollen. Mehr als 90% dieser Betroffenen sind nur deshalb selbständig, weil sie einfach keine Jobs als Angestellte bekommen und von den Unternehmen gezwungen werden, quasi als schlecht bezahlte Taglöhner Angestellte zu ersetzen.
Dieses System, das in Zeiten der Monarchie weit verbreitet als „Verlegersystem“ bekannt war, wurde knapp hundert Jahre später wieder als „modern“ entdeckt und hemmungslos eingeführt. Auch die ehemalige „Arbeiterpartei“ SPÖ spielt da kräftig mit, in einem über eine verschachtelte Unternehmenskonstruktion der Wiener Partei gehörendem Verlagshaus arbeiten fast ausschließlich „Einzelunternehmen“.
Die Idee, eine eigene Interessenvertretung für EPU zu gründen, wird wohl ebenfalls eine Illusion der Facebook-Gruppe bleiben. Zu unterschiedlich sind die Bedürfnisse der selbständigen Psychologen, Journalisten, Kaufleute, Handels- und Versicherungsvertreter oder Grafiker. Während jene, die in einem kleinen Geschäftslokal ihre Waren feilbieten, bewusst den Weg in die Welt der Einzelunternehmer gewählt haben, streben Pressefotografen, Journalisten oder im Sozialbereich arbeitende Menschen in den meisten Fällen eine Anstellung an.
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Besonders prekär ist die Situation für junge Uni-Absolventen oder für Studenten. Diesen bleibt in fast allen Branchen der Zugang zu einem Angestelltenverhältnis verwehrt. Denn Werkvertragspartner sind für Unternehmen weitaus billiger als angestellte Mitarbeiter. Auch die Phantasie der echten Unternehmer scheint grenzenlos zu sein. So werden bereits selbständige Köche und Kellner in Gastronomiebetrieben beschäftigt, sogar freiberufliche Regalbetreuer soll es schon fallweise geben. Wahrscheinlich sogar ganz gesetzeskonform.
Was – trotz Warnungenvon Gewerkschaften– unter der Ära der Sozialministerin Eleonore Hostasch zur sozialversicherungsrechtlichen Absicherung eingeführt wurde, hat in der Realität die Schleusen für Armut von heute geöffnet. Denn die scheinselbständigen Einzelunternehmer werden in manchen Fällen gerade durch die soziale Absicherung weit unter die Armutsgrenze geschleudert.
Dass die von vielen geforderte Versicherungspflicht anstelle der SVA-Pflichtversicherung einen Ausweg darstellen könnte, wird wohl ebenso eine Illusion bleiben. Das zeigen besonders drastisch die Beispiele aus den USA oder Großbritannien. Denn die gewinnorientierten privaten Versicherungen beschränken die Leistungen auf das Nötigste, wer umfassenderen Schutz will, zahlt entsprechend hohe Prämien. Die für wenig verdienende Scheinselbständige ebenso wenig finanzierbar sind wie die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung.
Dass unser System der Sozialversicherung radikal reformiert gehört, ist allerdings klar. Denn die Umstände, die zur Gründung der Vielzahl der Krankenkassen geführt hat, haben sich dramatisch verändert. Manche Betriebe, die eine eigene Krankenversicherung hatten, gibt es gar nicht mehr. Wie zum Beispiel die Firma Semperit. Auch der Leistungskatalog der Kassen könnte ein wenig überarbeitet werden. Denn viele Kuraufenthalte auf Kosten der Kassen, so versichern zumindest viele Ärzte, sind politisch verordnete Quersubventionen für jene Kurbetriebe, die von Ländern und Gemeinden gegründet wurden und die mühsam auf Kosten der Kassen erhalten werden müssen. Womit für viele der „Kururlaub“ tatsächlich ein Urlaub wird. Mit medizinischen Alibiinterventionen.
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Wenn endlich alle Sozial- und Krankenversicherungen zusammen gelegt werden, dann würden sicher die Beiträge niedriger ausfallen.
Danke für diesen Beitrag.
Zahnlosigkeit durch Unkoordiniertheit
Hier zeigt sich erneut die prinzipielle Unterlegenheit von basisdemokratischen Bewegungen gegenüber strategisch geführten Operationen. Zuletzt sahen wir das bei den Studentenprotesten, ausgehend von der Audimax Besetzung, die sogar weite Kreise in Europa zog und deren Claims großes Potenzial für gesellschaftliche Akzeptanz hatten. Schließlich scheiterte eine in der Substanz qualitätsvolle, legitime und schlüssige Initiative an ihrer Unkoordiniertheit, ihrer Zögerlichkeit, dem dauernden Abstimmungsbedarf und der hervorragenden Profillosigkeit ihrer wechselnden Sprecher – die der ihnen gegenüber stehenden Phalanx eines zielgerichteten und strategischen Apparats an Konsequenz haushoch unterlegen waren.
Führerlose Massenbewegungen erreichen Umstürze oft nur mit massiver Beschädigung gesellschaftlicher Werte aufgrund der großen Zerstörungskraft, die von ihnen ausgehen kann. Mit einer strategisch vorgehenden, kompetenten, erfahrenen und entschlossenen repräsentativen (demokratisch gewählten) Führung wird weniger Zerstörung angerichtet und werden bessere Erfolge eingefahren. Freilich ist die Scheu vor der Wahl von Sprechern derzeit eher groß, weil durch die aktuelle Dichte an Korruptionsfällen nicht gerade ein Vertrauensklima herrscht. Ein systematisches, strategisches Vorgehen sehe ich hier derzeit auch nicht, das wird aber nötig sein, um einen nachhaltigen Erfolg zu erreichen. Momentan wird noch mit Tomaten in 17 Richtungen auf Panzer geschossen, die ganz wo anders stehen.
Nicht sozial, nur scheinheilig
Ich persönlich glaube gar nicht, dass in diesem Fall ein so großer Unterschied zu machen ist zwischen freiwillig und unfreiwillig Selbständigen – freilich nur die Sache der SVA betreffend. Beide Gruppen sind hier in den unteren Einkommen von anteilig stark überhöhten Beiträgen betroffen. Beide Gruppen werden bis zu Einkommen von ca. 1500 Euro (Gewinn, nicht Umsatz) vom Mindestbeitrag der SVA unter die Armutsgrenze gedrückt. Für einen (nach Eigendefinition) Sozialstaat eine Peinlichkeit erster Ordnung, die jeder Beschreibung spottet. Der Staat und seine Insitutionen verursachen (!) Armut statt sie zu beheben …
Gemeinsam mit dem Zwang in die Selbständigkeit, gehört die aktuelle Regelung der Mindestbeiträge und Höchstbeitragsgrenzen im österreichischen SV-Recht sicher zu den haarsträubendsten Episoden von Scheinheiligkeit: Da wird von Mindestsicherung geredet, von Mindesteinkommen, von Armutsgrenze und working poor, von Armutsbekämpfung usw. – während wir Menschen, die sich prima erhalten können, wenn auch auf bescheidenem Niveau, von Staats wegen in den Bankrott treiben. Die fragen sich dann zu Recht, weshalb sie viel arbeiten, um schließlich weniger zu haben als in der Position als Sozialhilfeempfänger, die sie voraussichtlich auch dann werden.
Lohndumping
Tatsächlich handelt es sich bei der Auslagerung von eigentlich angestellten Tätigkeiten in eine Scheinselbständigkeit um Lohndumping. Tatsächlich müssten freiberuflich Tätige wesentlich höher als gleichwertige, angestellte Tätigkeiten bezahlt werden – was freilich nicht der Fall ist. Sie erhalten vielfach die gleiche Bezahlung wie Angestellte, liefern davon in unteren Einkommensklassen (w.o.) aber weit höhere SVA Beiträge ab als Angestellte – und sind zusätzlich für Urlaub, Krankenstand und Administration und allenfalls weiterer Kosten ihrer Tätigkeit selbst zuständig. Das heißt: krank => kein Einkommen, Urlaub => kein Einkommen usw.
Werkvertrag – oder die höhere Kunst der staatlichen Selbstbedienung
Mit dem Hinweis auf soziale Absicherung wurde die zwangsweise ASVG Versicherung von Werkverträgen eingeführt. Wir sind ja sehr sozial. So werden Werkvertragsnehmern ihre Honorare nun abzüglich Lohnsteuer und ASVG ausbezahlt, sie werden als Arbeitnehmer angemeldet, haben aber ´
– keinen Urlaubsanspruch,
– kein 13./14. Gehalt (auch nicht anteilig),
– faktisch keinen Krankenstand (weil sie im Falle der Erkrankung sofort wieder abgemeldet werden – denn da arbeiten sie ja nicht: Werkvertragsnehmer schulden ein Werk, der Angestellte schuldet eine Bemühung),
– werden beim Arzt aber als SVA Versicherte abgerechnet (und zahlen wegen Selbstbehalt damit anteilig wesentlich mehr als ASVG Versicherte, die sie zwar auch sind, aber das stört ja nicht weiter),
– und kein Recht (jetzt kommt’s!), ihre Kosten geltend zu machen! Bis auf ein paar mickrige pauschale Abschreibposten sieht’s schlecht aus.
Sie haben also die Vorteile der Angestellten ausnahmslos nicht, weil sie aber als solche angemeldet sind, haben sie daher die Vorteile der Unternehmer (Abschreibung der Kosten) nicht. De facto sind sie natürlich überhaupt keine Angestellten: es wird peinlich darauf geachtet, dass sie keinen fixen Arbeitsplatz haben, keine Telefondurchwahl usw., damit nicht auf (echte) Anstellung geklagt werden kann.
P.S.: Ich selbst arbeite mit einem Wirtschaftstreuhänder und meinem Anwalt derzeit an der Möglichkeit einer Klage gegen die SVA (anhand eines aktuellen Falles) und an 2 alternativen Szenarien, sollte eine Klage nicht zielführend scheinen. Sollte es Anwälte und Steuerberater Marke „Werwolf“ geben, die uns hier unterstützen wollen – gerne!!! 😉
Danke Frau Isabelle Mader für diesen umfangreichen Kommentar zum Beitrag, den ich absolut nachvollziehen kann. Den Großteil des Beitrages selbst übrigens auch , speziell was die Erfolgseinschätzung der Facebook-Gruppe Amici delle SVA bzw. das Verhalten der Gruppenmitglieder angeht. Ich sehe ehrlich gesagt auch nicht viel Licht am Ende des Tunnels, weil zu viele individuelle Sichtweisen und Interessen nicht genügend koordiniert und organisiert werden. Das Engagement und die Absichten der Gruppengründer in allen Ehren, aber in der Gruppe entsteht einfach zu viel destruktiver Inhalt, der am eigentlichen Sinn vorbeigeht und den „Gegenparteien“ (SVA und Co) ein großes Schmunzeln in die Gesichter zaubern muss, wenn sie sehen, wie planlos und teilweise aggressiv unter den Gruppenmitgliedern dieser Gruppe kommuniziert wird. Daran ist ganz klar zu erkennen, wie sehr die EPU mit sich selbst und ihresgleichen noch im Unreinen sind und so kann von keiner geeinten Masse und von keinen einheitlichen Zielen gesprochen werden. Was aber Grundvoraussetzungen für einen möglichen Erfolg sind. Dennoch viel Glück allen Beteiligten und vor allem jenen EPU, die sich ernsthaft engagieren, um der Sache zu dienen und es dabei auch noch schaffen, sachlich, ziel- und lösungsorientiert vorzugehen.
An sich würde es reichen, aufzulisten, was bei der SVA (eine der Armutsfabriken) nicht paßt und dazu die Personen (Leitl, …) nennen, die für die Missstände verantwortlich sind, damit deren Eigenlob relativiert wird.
Beispiel: warum nennt man man das Übergangsgeld, Herr Dr. Leitl, „befristete Pension“, wenn das nicht stimmt; denn das Übergangsgeld ist niedriger als die Pension; sie wird nur 12 x p.a. ausbezahlt während die Pension 14x ausbezahlt wird.
Ist das eine der Strategien, die Versicherten um etliche Tausender zu kürzen?
Warum halten Sie, Herr Mag. McDonald, die Namen der Leistungsausschussmitglieder in der SVA geheim? Wollen die ungenannt und anonym bleiben, damit man denen keine asozialen, brutalen Beschlüsse zuordnen kann?