Ein Magazin lädt Ärzte zur Gratisreise ein (2007)
Es klingt verlockend, gratis eine Woche in die Türkei zu reisen. Ein paar Spesen, klar, die fallen an und die zahlt man auch gern. Den Ausflug, der auch vorgesehen ist, den will man nicht mitmachen. Das kostet zwar etwas, wenn man nicht teilnimmt, aber bitte: Die paar Euro (79 pro Person) müssen ja auch noch zu verkraften sein.
Das umfangreiche Gutscheinheft, mit einem Nadeldrucker unleserlich bedruckt, das ist auch noch irgendwie zu entziffern. Das Transfer-Ticket der Airport-Driver, wir sagen in Wien „Flughafen-Taxi“ dazu, entpuppt sich als Werbung. Kein Gutschein, wie die werbetextliche Gestaltung verspricht. 27 Euro soll der Transfer kosten. Für eine Fahrt. Der CAT kostet 15. Für die Hin- und Rückfahrt, ermäßigt, weil gültige ÖAMTC-Clubkarte vorhanden.
Am Samstag ist Abflug, und ich bin dabei, bei dieser „Gratisreise“, die so gar nicht gratis ist. Aber das hat ja auch niemand wirklich erwartet, der kritische Konsumentensendungen wie „konkret“ (ORF 2, täglich Montag bis Freitag) beobachtet oder gar selbst gestaltet hat, wie dies der teilnehmende Suderer für das Aufgedeckt-Team von „Willkommen Österreich“ jahrelang getan hat..
Nun wird es spannend: Was kostet diese Gratisreise wirklich?
Ärzte-Gratisreise Tag 1 bis 3
Ankunft im Hotel nach Mitternacht, seit dem Start in Wien sind 6,5 Sunden vergangen. Das Gepäck wird von hilfreichen Menschen aufs Zimmer gebracht, die Bar ist rund um die Uhr geöffnet und der Reiseleiter ist mit hilfreichen Information zur Stelle. Am dritten Tag der Reise ist ein Zwei-Tagesausflug geplant, die Nichtteilnahme kostet – wie angekündigt – 79 Euro pro Person. Da die Hotelanlage fern der nächsten Ortschaft liegt, ist man gezwungen, auf Halbpension umzusteigen. Die roten Armbänder, die uns als „Halbpensionisten“ ausweisen, haben wir vorsorglich schon beim Einchecken bekommen.
Um sie nicht wieder abgeben zu müssen, werden pro Person weitere 84 Euro fällig. Dafür ist das Buffet des Abendessens üppig, die Qualität dem Standard des Hotels für Touristenmassen entsprechend, die dienstbaren Geister allgegenwärtig, ohne auch nur ansatzweise aufdringlich zu wirken.
Im Hotel wird der Euro mit 1,59 türkischen Lira bewertet, der offizielle Kurs ist 1,69.
In der Halle ist der WLAN-Anschluss für den Laptop gratis. Nicht gratis hingegen: Die Aufzahlung auf „All inclusive“, zumindest auf einen Teil der Getränke bezogen. Das kostet satte 30 Euro pro Tag und Person, ist pro Zimmer buchbar und gilt eigentlich nur von 17 bis 24 Uhr. In unserem Fall zahlt sich die „Trink-Pauschale“ nicht aus. Die entspricht nämlich dem Konsum von 15 Seideln Bier. Täglich, pro Person, gültig bis Mitternacht.
Geheizt wird das Hotel sechs Stunden pro Tag: Von 6–8, von 17–19 und von 22–24 Uhr kann man mittels Thermostat das Zimmer wieder auf Raumtemperatur bringen.
Der Test hat gezeigt: Das genügt theoretisch. Sofern man in der Früh nicht verschläft, denn dann kann es durchaus kühl sein im Zimmer. Sehr kühl.
Unvermeidbare Kosten der „Gratisreise für zwei Personen“ bisher (inkl. freiwilligem Verzicht auf den Ausflug): 514 Euro. *)
*) Ohne Ausflugsverzicht, bei dem auch ein Besuch eines der „Sponsor-Unternehmen“ – einer Lederwarenfabrik – auf dem Programm steht, würden die Kosten immer noch 365 Euro betragen.
Ein Mitgast aus Holland, der bereits acht mal in der Türkei seinen Urlaub verbracht hat, versichert: Das Hotel Asteria sei das beste, das er bisher erlebt hat. So gesehen sind die unvermeidbaren Mehrkosten wieder akzeptabel. Allerdings: Er ist nicht gratis hier. Für sich und seine Frau zahlt er – für zwei Wochen – knapp 900 Euro. Wirklich „all inklusive“…
Ärzte-Gratisreise Tag 4 bis 5
Halbpension ist bei diesen Buchungen bereits inbegriffen, für die Nichtteilnahme am unvermeidlichen Ausflug müssen aber auch diese Gäste extra bezahlen.
Der Haarschnitt beim Friseur kostet fünf Euro, Bart stutzen zwei. Ein Foto schlägt mit fünf Euro beim Hotelfotografen zu buche, ein Liter Cola im kleinen Geschäft zwei.
Den Katzen, die in der Anlage wohnen und beim Frühstück ihren Anteil schnorren, hat man vom linken Ohr das Spitzel abgeschnitten. Möglicherweise ein Erkennungszeichen, dass die Tiere sterilisert sind.
Die Bewertungen des Hotels im Internet sind nett und treffen auch großteils zu: Das Personal ist freundlich und hilfsbereit.
Mitgäste haben berichtet, dass bei allen Ausflügen Einkaufsmöglichkeiten dazu gehören: Teppiche, Lederwaren und andere typische Produkte des Landes werden enthusiastisch angeboten.
Der Gesamteindruck verstärkt sich: Das „Geschenk“ des Ärztemagazins wäre direkt übers Internet bei einem günstigen Reiseveranstalter gebucht zumindest nicht teurer gewesen.
Ärzte-Gratisreise Tag 6 bis 8 (Schluss)
Die Reisegruppe aus Holland spielt Bridge. Deshalb sind sie drei Wochen hierher gekommen. Knapp 1.100 Euro haben sie dafür bezahlt, „All inclusive“, auch der Bridge-Turnierleiter und sein Aufenthalt sind in diesem Preis inbegriffen.
Reisende, die sich die knapp 80 Euro pro Person für die NICHT-Teilnahme am Ausflug sparen wollten, waren wenig begeistert. Zwei Tage fast ausschließlich im Bus und eine Übernachtung in einem wenig einladenden Hotel, dafür Fabriksbesichtigungen mit sehr hohem psychologischen Kaufzwang für Teppiche, Lederwaren und Schmuck. Der Ohrschmuck aus Silber für die Tochter hätte in Deutschland und Österreich die Hälfte gekostet. Wenn überhaupt.
Aber über diese Fakten berichten Konsumentenschützer seit Jahren.
Der Bazar
Auf dem Bazar und in den Läden der nächsten Kleinstadt locken „Markenartikel“ zum Schnäppchenkauf. Dass die Waren echt sind, das glaubt mittlerweile ohnehin niemand mehr. Allerdings: Die Preisunterschiede betragen bis zu 350 Prozent, und kleine Betrügereien beim Wechselgeld muss man einkalkulieren. Schließlich ist man im Orient, und die Touristen „Ungläubige“.
Der Pauschalbetrag für die Getränke im Hotel, so stellt sich bei der Abrechnung heraus, hätte mehr als doppelt so viel gekostet wie die einzeln verrechneten Getränke. Nur sehr schwere Trinker kommen vielleicht auf eine ausgeglichene Bilanz.
Am Flughafen
Das Selbstbedienungslokal im Flughafen entpuppt sich als Abzocker-Lokal erster Güte: zwei kleine Dosen Cola hält man hier um satte 11 Euro feil.
Die Boarding-Cards einiger Fluggäste werden im letzten Moment vor dem Betreten des Flugzeugs ausgetauscht, durch einen Irrtum sind sechs Sitzplätze an sieben Passagiere vergeben. Der Steward ist unwirsch und rotzfrech, letztendlich wird doch eine Lösung gefunden. Durch ein Problem – Pasagiere durften nicht mit Hund an Bord – fliegt die Maschine von „Sun Express“ eine Stunde später ab.
In Wien fährt der nächste CAT erst in 26 Minuten. Der flotte Flitzer entpuppt sich als lahme Ente, wenn man die Wartezeit einkalkuliert.
Fazit: Die Gratisreise für Ärzte in Wirklichkeit eine „Einkaufsfahrt“ mit vielen versteckten Kosten. Aber eine Woche bei frühlingshaften Temperaturen tagsüber sind auch OK.
Wenn auch nicht gerade eine Okkassion.
Ärzte-Gratisreise (Nachtrag)
Langsam sickert es in der Zunft der Ärzte durch: Die Gratisreise kann sehr, sehr teuer werden. Ein Reiseteilnehmer, der das Monate lang geltende Angebot der „Gratisreise“ in Anspruch genommen hatte, wollte sich den Ausflug nach Pamukkele nicht entgehen lassen. Durch gekonnte psychologische Schmähs und massiven Druck ließ er sich hinreißen, in einer der Fabriken, zu deren Besuch man genötigt wird, Goldwaren einzukaufen. Um wohlfeile 3.000 Euro, wie er dachte. Die unangenehme Überraschung: Im nächsten Bazar hätte er „nur“ 1.200 Euro für die gleichen Waren bezahlt. Der tatsächliche Wert dürfte, meint ein erfahrener Wiener Juwelier, der regelmäßig solche Urlaubstrophäen zu schätzen bekommt, wahrscheinlich nicht mehr als 800 Euro betragen.
wer an gratisreisen glaubt ist aber schon selber schuld. „geiz ist geil“ mentalität zahlt sich auch für ärzte nicht aus. mein mitleid hält sich in grenzen.
Die armen Ärzte. Mir blutet das Herz.