Krankenkassen-Sanierung mit origineller Logik

In Niederösterreich hat die Gebietskrankenkasse wieder einmal einen originellen Weg gefunden, ein wenig Geld zu sparen. Allerdings auf Kosten der Patienten und der Steuerzahler.

Operationsfreigabe: Aus Kostengründen in Niederösterreich wieder ans Krankenhaus delegiert. © Christian M. Kreuziger

Die Krankenkassen pfeifen angeblich aus dem letzten Loch, die Spitäler arbeiten schwer defizitär und die Kosten des Gesundheitssystems explodieren. Diese Misere gefällt den Politikschaffenden nicht, deshalb sind auch in diesem Sektor Einsparungen das Gebot der Stunde. Diese Erkenntnis ist nun die Spielwiese für allerlei Experten geworden, die mit unterschiedlichen Patentrezepten behaupten, das System zu verbessern und Milliarden einsparen zu können.

Alle diese Patentrezepte, die von Experten und Politikschaffenden ausgearbeitet werden, haben allerdings eine fatale Wirkung. Sie führen, und das liegt am gewachsenen System der Gesundheitsversorgung, zu einem Schrebergartendenken, das seltsame Blüten hervorbringt.

Um diese Blüten zu verstehen muss man wissen, dass die Kosten im Gesundheitsbereich aus unterschiedlichen Töpfen kommen. Die Honorare für niedergelassene Ärzte werden von den Krankenkassen beglichen, die Kosten für Behandlungen in Krankenhäusern werden hingegen teilweise von den Steuerzahlern mitfinanziert.

Politikschaffende, die für Krankenhäuser zuständig sind, fordern daher, dass viele Leistungen von den Spitälern zu den niedergelassenen Ärzten verlagert werden sollen, um die Kosten zu senken. Damit würden die Aufwendungen für die Defizite der Krankenhäuser sinken, so die Milchmädchenrechnung mit einem kleinen Wahrheitsgehalt.

Die Krankenkassen hingegen, die versuchen wieder, Leistungen weg von den Ordinationen in die Krankenhäuser zu verlagern. Denn dann zahlen die Steuerzahler mit und die Kassenbudgets werden entlastet.

Mit gewaltiger Stimme hat sich in den vergangene Jahrzehnten auch immer wieder die Ärztekammer zu Wort gemeldet. Auch die hat die Verlagerung der Leistungen zu den niedergelassenen Ärzten gefordert und tut dies immer noch. Einerseits, weil die Spitalsärzte die Grenzen der Leistungsfähigkeit bereits überschritten haben, andererseits, um die Klientel der niedergelassenen Ärzte zu bedienen und deren Einkommen zu sichern.

Eines der Beispiele, das sich teilweise gut etabliert hat, ist die Vorbereitung für Operationen. Die Aufenthaltsdauer im teuren Krankenhaus konnte verkürzt werden, da Patienten bereits alle nötigen Untersuchungen bei niedergelassenen Ärzten erledigen konnten: Der umfassende Blutbefund, ein EKG, ein Lungenröntgen und die Freigabe durch Internisten.

Diese Vorbereitung für nötige Operationen, die von niedergelassenen Ärzten nahe am Wohnort der Patienten erledigt werden konnte, wird nun von den Kassen nicht mehr bezahlt. Jetzt müssen die Patienten alle diese Untersuchungen im Krankenhaus über sich ergehen lassen. Und zwar in einer „Präanästhesie-Ambulanz“.

Das klingt gut, hat allerdings einige Tücken. Zum Beispiel für einen Klosterneuburger Patienten, dem eine Prostata-Operation bevorsteht. Bisher hat seine Ärztin alles für ihn organisiert: Die Termine für die nötigen Voruntersuchungen bei den entsprechenden Fachärzten, den Termin für die Operation und die Nachbetreuung. Das ist nunmehr unzulässig.

Der Versuch, die Termine im nächst gelegenen Landeskrankenhaus für Voruntersuchung und Operation zu koordinieren, scheitert beinahe. An internen Koordinationsproblemen im Landesklinikum Korneuburg, aber auch an einem simplen Urheberrechtsproblem gepaart mit kleinkariertem Denken.

So wurde von einer Mitarbeiterin der Präanästhesie-Ambulanz gefordert, dass der Patient einen Fragebogen zum Gesundheitszustand bereits ausgefüllt mitzubringen habe. Der Bitte der Ärztin, ihr diesen Fragebogen zu faxen, damit sie diesen gemeinsam mit dem Patienten ausfüllen kann, konnte nicht entsprochen werden. Aus einem simplen Grund: Dieser Fragebogen wird von einem medizinischen Verlag eingekauft und darf nicht kopiert werden. Aus Urheberrechtsgründen, die das Faxen, also einer Art Kopieren verbietet, weil nur der vom Verlag teuer gekaufte Bogen verwendet werden darf.

Durch die Intervention der behandelnden Ärztin wurde von der Ambulanzmitarbeiterin – ausnahmsweise – zugesichert, dem Patienten beim Ausfüllen zu helfen. Das kostet nämlich Zeit, und die hat man eben in der Ambulanz nicht. Dies wird sich in Zukunft noch verschlimmern, wenn die Leistungseinschränkung der Krankenkasse voll durchschlagen wird.

Vergrößern wird sich auch das Defizit des Krankenhauses. Das dann von den Steuerzahlern abgedeckt wird. Und für die Patienten bedeutet die neue Einschränkung, dass sie in Zukunft wieder einen Teil der freien Arztwahl verlieren. Was den Kassen wurscht sein wird, denn Sparmaßnahmen verlangen eben Opfer.

PS: Für die OP-Organisation bezahlen manche Kassen die Ärzte selbstverständlich. Die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft macht dafür satte 11,14 brutto locker. Noch, denn die Gebietskrankenkasse spart sich diesen Betrag. Was sich die SVA wahrscheinlich bald zum Vorbild nehmen wird.

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1 Antwort zu Krankenkassen-Sanierung mit origineller Logik

  1. Johann Schmit sagt:

    Ich habe nie verstanden, dass die heimischen Universitätmediziner nicht in der Lage sind für ihren Dienstgeber einen brauchbaren Fragebogen zu entwicklen und daher diese Leistung zukaufen müssen. Als nächsten kaufen die Ärzte das Händeschütteln zu und dann kann jeder Arzt nur mehr seinem Patient die Hand schütteln, nicht jedoch Mitarbeitern oder gar dem Briefträger, der Hausmeisterin und anderen Nicht-Krankenscheinlieferanten.

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